Steckenbleiben in der Schneewüste

Jerome nimmt uns gedanklich mit, zurück in den abgelegenen Südwesten der Mongolei. Frischer Schnee liegt über der Gobi Wüste. Ein Kleinbus brettert durch die Schneehaufen und eine Kamelherde schreckt aus dem Frost auf. Die steppenstrolche sind mal wieder steckengeblieben.

Der Gebirgswind peitscht uns über die Gesichter, man hört seine eigene Stimme kaum, während Umrisse von Personen neben mir mit ganzer Kraft einen UAZ Kleinbus aus dem Schnee schieben. Es ist Tag 4 unserer Mongoleireise mit steppenstrolch und obwohl mir Malte und Lennart vorher klargemacht haben, dass es alles andere als eine Pauschalreise wird, ist diese Szenerie doch sehr unerwartet. Unsere Autokolonne, mit der wir heute auf diesen Bergpass im südlichen Altaigebirge gefahren sind, steckt tief im Schnee fest. Während wir vor zwei Stunden noch durch ein Flusstal in Herr-der-Ringe-Kulisse fuhren, gleicht die Umgebung jetzt einen Fernseh-Testbild.

Zwei Personen stehtn neben einem grauen Auto im SchneesturmAutos und Menschen stehtn in weißer Schnee Kulisse

Im kompletten Schneegestöber sind unsere Fahrer Namba und Saikhnaa einem Nomaden gefolgt, der mit seinen Hunden und Heuballen auf dem Pickup in die gleiche Richtung wie wir wollte: den Nationalpark Gobi B. Unsere drei Autos stecken jetzt aber teilweise fest. Und es wird zunehmend dunkler. Erst bleibt der Nomadenpickup stecken, dann unser Kleinbus. Die erfahrenen Fahrer spannen ein Schleppseil an den verbleibenden Wagen und ziehen sich somit aus der Schneeböe. Doch das dritte Auto bleibt 500 Meter weiter auch stecken.  Panne Nummer 2 bei -12°C🥶. Ansage ist: Alle aussteigen und schieben! Es wird dunkel, kälter und auch die Motoren fangen an langsam Probleme zu bereiten. 

Wieso habe ich nochmal zugesagt, bei der Reise dabei zu sein?

Mann in Wollkleidung vor zugefrorenem Auto

Von Marburg nach Ulaanbaatar

Angefangen hat für mich alles 2023, als Freunde von mir einen Weihnachtsmarktstand von steppenstrolch in Marburg organisiert haben. In der Holzhütte frage ich ein Jahr später Lennart, ob man denn auch mal mit in die Mongolei kommen könnte. im Rahmen meiner Examensarbeit im Fach Geographie biete es sich doch an, eine Forschungsarbeit über die Lieferkette und die Produktion von kuschligen Yakwollsocken und Kamelhaarprodukten zu schreiben. Lennart lacht und sagt nur; "Ja klar, wir planen nächstes Frühjahr eine Reise. Kannst gerne mitkommen". 

Menschen sitzen auf den Hinterbänken eines KleinbusSiluetten von zwei Personen in einem Kleinbus als Fahrer und Beifahrer

12 Wochen später: Touchdown der Maschine der MIAT Mongolian Airlines um 4.45 Uhr Ortszeit bei knackigen -13°C in Ulaanbaatar. Der Plan für mich ist, dass ich bei der gemeinsamen Reise durch die Lieferkette vor Ort, mit Nomaden und Produzenten Interviews führe und diese am Ende in einem Besuchsbericht zusammentrage. Ach und dass ich daraus auch noch meine Abschlussarbeit im Lehramtsstudium schreibe. Außerhalb des Flughafens erwartet uns schon Saikhnaa mit seinem dunkelgrünen UAZ-Kleinbus und es geht auf direktem Weg ins Zentrum der mongolischen Hauptstadt. Ulaanbaatar hat eine der schlechtesten Luftwerte der Welt. Die vier Braunkohlekraftwerke, die die Stadt mit Energie versorgen, als auch die Jurten-Bezirke an den Hängen der Berge rund um Ulaanbaatar geben dem roten Helden eine konstante Smog-Glocke. Wir erkunden  die Markthallen, Restaurants, Bars, den Regierungspalast und die Straßenzüge, aus denen die sozialistische Vergangenheit eines Landes, das sich in einem beachtlichen Modernisierungsprozess befindet, deutlich wird. Etwas außerhalb dieses bunten Treibens befindet sich im Randgebiet der Stadt die Produktionsstätte unserer Produkte, in der an Tag 3 ein Treffen unter Freunden ansteht. Der Besuch bei unseren Produzenten ist großartig und bedarf eines eigenen Blogartikels (folgt demnächst...)

Raus zu den Yakhirten

Eine Jurte mit Rauch steht im Sonnenlicht vor einem BergEin Mann steht im Gegenlicht vor Bergen und Schnee auf Gras

Nach vollgepackten und informationsdichten Tagen in UB begeben wir uns früh morgens mit unseren Fahrern endlich hinaus in die mongolische Steppe. Die 11 Wegstunden vergehen wie im Flug dank einzigartiger Landschaft, hervorragender Rast bei mongolischer Küche und der ersten Begegnung mit einer Herde Yaks.  Wir alle sind uns einig – iconic!   Parallel dazu sind wir Mongolei-Newbies geflashed von den weltberühmten Jurten, den frei grasenden Ziegen, Schafen und Yaks und der Gastfreundschaft unserer Gastgeber! Nach einigen Vodka, unzähligen Buuz (lokale Hackfleischtaschen) und Modern-Talking-Bangern geht es gut gelaunt in die Schlafjurte. Den nächsten Tag verbringen wir auf Wanderungen, Motorrädern und Wildpferden. Zwischen Wachhunden, Yakherden, und den Locals, die auf simple und nachhaltige Weise leben und uns strahlend über ihr Land und Leben berichten.

Eine Gruppe Menschen sitzt in einer Jurte vor Bergen an Essen, eine Frau rührt in einem großen Topf

Es vergehen einige tausend Kilometer, eine partyreiche Nacht in der Karaokebar unseres Vertrauens, bevor wir an Tag 4 morgens in die gepackten Autos steigen. Lennart und die Fahrer stehen beisammen. Alle schauen auf ein Handy und diskutieren den Wetterbericht. Es soll kalt werden und Niederschlag geben, aka. viel Schnee. Alles beginnt sehr normal und wir fahren an Ziegen- und Schafherden durch die Steppe, die auch gern mal auf die Straße wandern. Gegen 11 Uhr sehen wir die erste Kamelherde und das Fototeam lässt die Objektive glühen. Allein, dass Kamelherden mittlerweile als normal gelten, ist absurd. Nach einer Mittagspause in einer Schulkantine eines kleinen Dorfs (Bugat) müssen wir einen Teil des Altai-Hochgebirges überqueren, um zu unserem Tagesziel zu gelangen. Nach Erreichen des ersten Bergpasses stehen wir vor der Abfahrt in ein Kerbtal, das ein Fluss über Tausende von Jahren in den Berg gefressen hat. Das ist die beeindruckendste Kulisse, die ich in meinem ganzen Leben je gesehen habe, und geologisch einfach nur faszinierend! Nun wird es allerdings rasend schnell merklich dunkler. Und dann beginnt das Schneechaos.

Yak vor Bergkulisse im SchattenMenschen neben einem Kleinbus im Sonnenuntergang in SchneelandschaftKamele stehen in einer Gruppe in der Wüste mit Bergen im hintergrundEin helles Kamel hebt den Kopf vor einer Herde dunkler Kamele

Wir schaufeln uns frei

Mit zwei Schaufeln und 20 Händen graben wir den Wagen wieder frei und sind nach 20 Minuten wieder auf Kurs. Einige Rettungsaktionen und einen Motorschaden später beschließen wir, den Schneesturm auszuharren und eine Stunde auf den Ranger zu warten, der uns in der Gobi B empfängt. Lennart fasst es in seinen zwei Videos von diesem Tag gut zusammen. Solange die Nomaden ruhig bleiben, der Tank voll ist und unsere Fahrer die Ruhe bewahren, bleibt kein Grund zur Panik. Im Dunkeln werden wir gefunden und aus den Bergen in den Nationalpark geleitet. Wir nehmen die Fahrt auf, die Sicht bessert sich und wir nehmen rasch an Höhe ab. Angekommen sind wir in einer abgelegenen Gegend der Wüste Gobi. Was es im Nationalpark und beim Nomadenkollektiv, das wir in den folgenden Tagen besuchen, zu sehen gibt erzähle ich Euch in einem nächsten Teil.

Lennarts Videos dieser Tage könnt ihr hier nachschauen:

Scheinwerfer von Autos auf Schnee im DunkelnAuto fährt durch Schneelandschaft


Im WM-Fieber
Es geht wieder los...